«Geschichten, die das Leben schreibt»

Alle Geschichten, um die ich meine Mutter anbettelte, begannen mit diesen Worten. Hingerissen lauschte ich ihr, wenn sie mir Märchen von Elfen und Einhörnern erzählte. Jede Geschichte bekam ich nur ein einziges Mal zu hören, denn meine Mutter schrieb die Geschichten nie auf.

Doch setzten diese Geschichten meine eigene Phantasie in Brand. Nun, natürlich, meine ersten Geschichten bestanden meist aus wenigen krakeligen Sätzen in meinen Schulheften. Doch nach und nach wurden die Geschichten länger. Es strömten so viele Ideen auf mich ein, dass ich gar nicht wusste, wo ich anfangen sollte, sie aufzuschreiben- sehr zum Leidwesen meiner Mutter, die hunderte erste Seiten zu lesen bekam- und nur ganz selten ein Ende.
Inzwischen schreibe ich meine Geschichten zu Ende. Andere Ideen werden in bunten Notizbüchern festgehalten, damit sie bloß nicht entfleuchen können. Und oft findet eine Idee den Weg in eine Geschichte, in die sie eigentlich nicht hinein gehört und sorgt so doch für das, was man das gewisse Etwas nennt. 

 

Aufwachsen durfte ich, das kleine Mädchen, das eine Geschichte hören wollte, im nördlichsten Vorort von Köln In einem kleinen gallischen Dorf... . Der Rhein mit seinen Sandbuchten und das Broch mit seinen verwunschen Pfaden, die jedes Jahr im Sommer vom Grundwasser geflutet wurden, waren nur ein Katzensprung entfernt. Im August sammelte ich mit meiner besten Freundin Brombeeren und wir stellten uns vor, sie für magische Tränke zu brauchen.

Natürlich waren wir die jüngsten und begabtesten Hexen im ganzen Dorf- und vielleicht auch die Einzigen.

 

Meinen Klassenkameraden auf der Realschule muss ich ein wenig wie Hermine Granger vorgekommen sein. Immer mit meinem Buch unter dem Arm, mich mit den Lehrern über den neusten Band meiner Buchserie schwärmend.

Auf dem Gymnasium fiel meine Geschichtensucht weniger auf: Die Technik war inzwischen so weit fortgeschritten, dass man Geschichten auf dem Handy speichern konnte. Meine Schultasche wurde dadurch deutlich leichter. Mein Herz auch, als ich ein Theaterstück für unseren Literaturkurs schreiben durfte- und das Publikum es begeistert aufnahm.

 

An der Uni fand ich nicht nur die Liebe meines Lebens, sondern auch noch eine Hand voll Freunde, die ebenso voller Magie stecken, wie meine Geschichten es tun. 
Freunde, die dieselbe Frage stellen, wie meine Mutter, wenn sie eine Geschichte von mir in den Händen halten: 

 

Und wie geht es weiter?

 

Die Autorin Julia Jansen-Meurer lebt und arbeitet in Köln.
Wenn Sie nicht gerade Texte für sich oder andere verfasst, sitzt Sie im Probenraum mit ihrer "Weihnachtsband", die das ganze Jahr zusammen spielt, oder hinter der Nähmaschine.
2014 veröffentlichte sie "Schneetreiben" eine Sammlung weihnachtlicher Geschichten. Aktuell arbeitet sie an einem Romanprojekt und unterstützt eine Marketing Agentur.

 

Druckversion | Sitemap
© Julia Jansen-Meurer